Links ein Bild von Prof. Dr. Katrin Winkler in einem dunklen Anzug, man sieht am linken Bildrand eine Hand, die eine Kamera hält, verschwommen. Rechts ein Zitat: "Sichtbarkeit ist kein Ego-Thema - sie ist die Basis für Beziehung und Vertrauen im digitalen Raum." Digitale Sichtbarkeit

Digital, aber unsichtbar: Wenn Lernen zur Blackbox wird!

Warum Studierende und Mitarbeitende die Kamera ausschalten – und was das über unsere Arbeitswelt verrät

👉 Gestern in meiner Vorlesung Personalführung: Von 135 Studierenden hatten 4 die Kamera an.

Das ist kein Einzelfall – und keine Frage von Faulheit oder Desinteresse. Es ist ein gesellschaftliches Phänomen, das viel über die jüngere Generation, Selbstwahrnehmung und unsere digitale Kommunikation verrät.

Digitale Sichtbarkeit: Warum bleiben Kameras aus?

Mehrere Studien zeigen: Die Entscheidung, sichtbar oder unsichtbar zu sein, ist selten spontan. Sie spiegelt vielmehr tieferliegende Motive wider oft mit emotionalem, sozialem oder kulturellem Hintergrund.

1️⃣ Selbstwahrnehmung und Unsicherheit

Viele junge Menschen empfinden es als unangenehm, sich selbst ständig auf dem Bildschirm zu sehen. 👉 In einer Studie von Castelli & Sarvary (2021) gaben 41 % der Befragten an, dass sie ihre Kamera ausschalten, weil sie sich unwohl fühlen, wenn sie gesehen werden.

2️⃣ Privatsphäre und Umfeld

Nicht Jeder möchte zeigen, wie oder wo man lebt. Der persönliche Raum wird zur Bühne und das kann unangenehm sein, gerade in kleinen Wohnungen oder WG-Situationen.

3️⃣ Technische Einschränkungen

Langsames Internet, instabile Verbindungen oft ein praktischer, aber dennoch entscheidender Grund.

4️⃣ Soziale Normen

Wenn alle anderen unsichtbar sind, wird es schwer, allein sichtbar zu bleiben. Studien sprechen hier von einem „Peer Effect“: Sichtbarkeit ist (leider) selten die Norm.

5️⃣ Kognitive Überforderung („Zoom Fatigue“)

Die ständige Selbstbeobachtung, viele Gesichter gleichzeitig, kein natürlicher Blickkontakt. Das alles kostet Energie und Fokus.

Warum das für die Arbeitswelt wichtig ist?

Ob Studium oder Büro: Sichtbarkeit schafft Verbindung. Im digitalen Raum ist die Kamera die neue Form von Präsenz und die Basis für Vertrauen und Beziehung.

🤝 Kommunikation lebt von Mimik und Gestik. Nonverbale Signale helfen, Missverständnisse zu vermeiden, Vertrauen aufzubauen und Nähe zu erzeugen.

🤝 Teamkultur entsteht durch Kontakt. Wenn niemand sichtbar ist, bleibt Interaktion oberflächlich und Engagement sinkt.

🤝 Selbstwirksamkeit und Professionalität. Wer nie sichtbar ist, übt weniger, wie man sich vor anderen präsentiert, wirkt und auftritt. Fähigkeiten, die in Führung, Beratung und Kundenkontakt entscheidend sind.

Wie erlebt ihr das in euren Meetings oder Lehrveranstaltungen? Sollten Lehrende oder Führungskräfte hier klare Erwartungen formulieren oder lieber Freiheit lassen?

Mein persönliches Fazit

„Unsichtbar“ zu bleiben, kann Schutz bieten – aber langfristig auch Verbindung verhindern. Die Herausforderung besteht darin, Sichtbarkeit als Chance zu begreifen, nicht als Zwang. Digitale Präsenz ist heute Teil professioneller Kommunikation – und vielleicht müssen wir alle erst lernen, sie bewusst zu gestalten.